Am Morgen des 27. Januar 1945 erreichten die ersten sowjetischen Truppen das Vernichtungslager Auschwitz. In den Tagen zuvor hatten die Deutschen den Lagerkomplex evakuiert und etwa 60.000 Häftlinge auf Todesmärsche nach Westen getrieben, von denen mindestens 15.000 Menschen unterwegs ermordet wurden.
Etwa 7.500 Gefangene, die zu krank oder zu schwach waren, befanden sich noch im Lager. Ein alliierter Luftangriff in der Nacht zum 19. Januar hatte die SS in die Flucht geschlagen, bevor sie diese Häftlinge töten konnten. Viele dieser entkräfteten Menschen starben trotz aller Bemühungen in den folgenden Tagen und Wochen.
Alleine in Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet, die meisten in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau. Davon waren 960.000 Juden, 74.000 Polen, 21.000 Sinti und Roma sowie 15.000 sowjetische Kriegsgefangene.
„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“ (PRIMO LEVI)
Wäre es nach dem Willen der Nazis gegangen, wäre das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit spurlos vertuscht worden. Einer der Gründe, warum heute Auschwitz zum Synonym für die NS-Barbarei geworden ist und nicht etwa Treblinka, wo ebenso viele Menschen ermordet wurden, ist, dass Treblinka bereits im Herbst 1943 dem Erdboden gleichgemacht worden war. Zuvor mussten Häftlinge – auch sie Todeskandidaten – unter entsetzlichen Bedingungen die Massengräber ausheben und die menschlichen Überreste verbrennen. Nichts sollte übrigbleiben außer einem unterschiedslosen Haufen Asche – noch die Erinnerung an die Ermordeten sollte getilgt werden. Nur etwa 60 Treblinka-Häftlinge konnten fliehen und haben überlebt – die meisten beim Aufstand vom 2. August 1943.
Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi bezeichnete daher sich und seine Leidensgenossen als „Geheimnisträger„. Deshalb wurden die Häftlinge im Januar 1945 auf mörderische Evakuierungsmärsche gen Buchenwald und Mauthausen getrieben, und das Schicksal der zurückgebliebenen Kranken schien besiegelt. Dann jedoch zwang ein nächtlicher Luftangriff die deutschen Bewacher, wie Primo Levi mit bitterer Ironie schrieb, „ihr Werk unvollendet zu lassen und, ohne ihre Pflicht erfüllt zu haben, die Flucht zu ergreifen„.
Primo Levi beschreibt den Alptraum aller Gefangenen: „Beinahe alle Zurückgekehrten erinnern sich an einen Traum, der sich in den Nächten der Gefangenschaft häufig einstellte, unterschiedlich in den Einzelheiten, aber im wesentlichen immer gleichbleibend: sie seien nach Hause zurückgekehrt, erzählten mit Leidenschaft und Erleichterung einer ihnen nahestehenden Person von den vergangenen Leiden und sähen, dass ihnen nicht geglaubt, ja nicht einmal zugehört würde. In der typischsten (und grausamsten) Version wandte sich der Angesprochene ab und ging schweigend weg.„
„Es zu verstehen, ist unmöglich, doch es zu wissen ist notwendig, und sich zu erinnern ist eine Verpflichtung.“ (PRIMO LEVI)
1996 wurde der 27. Januar, jener Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus bundesweit gesetzlich verankert. 2005 wurde dieser Tag auch von den Vereinten Nationen als Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust festgelegt.
Alljährlich findet im Deutschen Bundestag eine Gedenkstunde statt, doch leider ist es vielerorten immer noch ein Gedenken „von oben“ geblieben. Auch in Aalen hat dieser Tag bislang wenig Aufmerksamkeit gefunden. Dies wollten wir ändern. Und als habe die Stadt nur darauf gewartet, dass jemand die Initiative ergreift, ist es auf Anhieb gelungen, die Unterstützung von 30 Aalener Organisationen für diese Veranstaltung zu gewinnen, von Kirchen, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Parteien von CDU bis Linken – ein bemerkenswertes – und ermutigendes – Novum in der politischen Landschaft der Stadt.
Wir wollen mit der Veranstaltung am Abend des 27. Januar den Angsttraum der Gefangenen von Auschwitz durchbrechen und hinhören, was uns die Überlebenden zu sagen haben.
Die Schauspielerin Mirjam Birkl vom Theater der Stadt Aalen wird eindringliche Texte von Zeitzeugen des Holocaust lesen, der Klarinettist Christian Bolz und der Gittarist Tobias Knecht werden die Lesung musikalisch umrahmen.
Freitag, 27. Januar 2017, 19 Uhr
Stadtkirche Aalen
Der Eintritt ist frei.
Presseberichte:
Aalener Nachrichten vom 24. 1. 2017
Die Veranstaltung wird getragen von:
- Evang. Kirchengemeinde in Aalen
- Bündnis gegen Rassismus
- Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.
und unterstützt von:
- DGB Aalen
- IG Metall Aalen
- Katholische Erwachsenenbildung Ostalb (KEB)
- Katholische Betriebsseelsorge Aalen
- Amnesty International Aalen
- Weltladen e.V. Aalen
- Volkshochschule Aalen
- Attac Aalen
- Die Linke Aalen
- ver.di Bezirk Ostwürttemberg-Ulm
- Kulturküche Aalen e.V.
- GEW Ostwürttemberg
- Katholisches Dekanat Ostalb
- Evangelisches Dekanat Aalen
- Act For Transformation
- Theater der Stadt Aalen
- OB Rentschler
- Familien-Bildungsstätte Aalen
- Evangelische Erwachsenenbildung Ostalb
- Stolpersteininitiative Aalen
- Naturfreunde Ostalb
- Kino am Kocher
- SPD Stadtverband Aalen
- SPD Ortverein Aalen
- Die GRÜNEN Stadtverband Aalen
- Interkultureller Garten Aalen e.V.
- CDU Aalen