Umstrittener Investorenschutz: Strafzahlung für Einhaltung der EU-Verträge

Von | 18. Dezember 2014

Der rumänische Staat muss zwei windigen Unternehmern Schadensersatz in Millionenhöhe zahlen, weil das Land die EU-Verträge eingehalten hat. Das klingt absurd, ist aber wahr. Schuld ist eine Vereinbarung zum Investitionsschutz mit Schweden. Dieses Abkommen haben die Unternehmer und Brüder Micula jetzt erfolgreich genutzt, um Rumänien auf 250 Millionen US-Dollar Schadensersatz zu verklagen, weil die Regierung Subventionen gestrichen hat, die nicht im Einklang mit dem EU-Wettbewerbsrecht standen.

Der Fall liefert damit ein besonders eindringliches Beispiel dafür, welche Folgen Investionsschutzklauseln (kurz ISDS) haben können, wie sie auch in den geplanten Handelsabkommen TTIP und CETA vorgesehen sind.

Doch der Reihe nach:

Die beiden rumänischen Brüder Ioan und Viorel Micula haben in den 1990er Jahren ein schwedisches Unternehmen gekauft, um mit dessen Hilfe von staatlichen Subventionen für ausländische Investoren in Rumänien profitieren zu können. So haben sie in einer strukturschwachen Region des Landes eine Fabrik für die Herstellung von Mineralwasser und Säften aufgebaut. Der rumänische Staat förderte dies mit Hilfe einer „Notverordnung“, durch die Importe von Rohstoffen und Maschinen von Zöllen ausgenommen wurden und Gewinne nicht versteuert werden mussten. Die Fabrik erwies sich als ausgesprochen lukrativ, die Micula Brüder wurden märchenhaft reich, was sich unter anderem dadurch ausdrückt, dass einer ihrer Sprößlinge wahlweise mit dem Helikopter oder einem schwarzen Ferrari zur Schule gebracht wird.

Einige Jahre später hob Rumänien die Subventionen aber wieder auf. Im Rahmen der Verhandlungen um den EU-Beitritt hatte die EU die Beihilfen als wettbewerbsverzerrend kritisiert und deren Abschaffung verlangt.

Die Micula Brüder wollten das nicht akzeptieren. Sie nahmen sich die besten Anwälte und klagten auf Grundlage eines Investitionsabkommens zwischen Rumänien und Schweden vor einem internationalen Schiedsgericht gegen die Streichung der Subventionen. Mit Erfolg: Das Schiedsgericht verdonnerte Rumänien dazu, den Micula Brüdern Schadensersatz für verpasste Gewinne plus Zinsen zu erstatten, insgesamt rund 250 Millionen US-Dollar.

Doch nun meldete sich die EU-Kommission wieder zu Wort: Rumänien dürfe den Schadensersatz keinesfalls zahlen, denn dies wäre wiederum eine illegale Beihilfe, die nicht vereinbar mit den EU-Verträgen ist. Rumänien befindet sich somit in der Zwickmühle: Was soll das Land höher werten, den Richterspruch des Schiedsgerichts oder die Einhaltung der EU-Verträge? Der Fall bringt aber auch die EU-Kommission in Erklärungsnot: Einerseits bedrängt sie Rumänien der Entscheidung des Schiedsgerichts in keinem Fall nachzukommen, andererseits will sie vergleichbare Schiedsgerichte in TTIP und CETA verankern. Derweil haben die Micula Brüder vor einem US-Gericht die Pfändung von rumänischem Staatseigentum durchgesetzt. So wurden jetzt Anteile des rumänischen Staats an der Ölgesellschaft Petrom gepfändet.

Der Fall Micula illustriert, wie ein Staat unter ISDS-Regeln schon allein dafür zu Schadensersatz verpflichtet werden kann, dass er seine Gesetzgebung in Einklang mit EU-Vorschriften bringt. Profiteure sind in diesem Fall windige Unternehmer, die sich auf Kosten der Allgemeinheit, nämlich der rumänischen Steuerzahler, bereichern. Sollte ISDS auch in TTIP und CETA verankert werden, dürften sich solche Fälle künftig häufen.

Stand: 16.12.2014

http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/rumaenien-strafe-fuer-einhaltung-von-eu-vertraegen.html