Über das Filmprojekt "Wer Rettet Wen" der Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz

Von | 4. Dezember 2014

Im Feuilleton der Jungen Welt vom 1./2. November 2014 las ich den unten stehenden Artikel über das Filmprojekt „Wer Rettet Wen“ der Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz. Von diesen Dokumentarfilmern war schon „Bahn unterm Hammer“ und »Water Makes Money« zu sehen. Das Filmprojekt »Water Makes Money« sowie auch der Film „Wer Rettet Wen“ wird von der attac-Gruppe Aalen finanziell unterstützt. Die europaweite KinoPremiere „Wer Rettet Wen“  am 11.02.2015 wird durch uns begleitend unterstützt.

In dem Film, den wir am 11.02.2015 zu sehen bekommen wird – wie auch schon in den beiden anderen o.g. Filmen – die Umverteilung des Reichtums / Volksvermögens von Arm nach Reich offengelegt. Organisiert bzw. begleitet wird diese Umverteilung durch die Politik, die durch die von uns demokratisch gewählten Politiker gemacht wird. Was sind das für Politiker, was ist das für eine Demokratie?

In Ihrem Buch „Wir sind der Staat“ schreibt Daniela Dahn „Die Banken finanzieren die Schulden des Staates, deren Höhe ein Maß für die Abhängigkeit ist. Zwei Billionen EUR – darf`s noch etwas mehr an Hörigkeit sein? Der Staat ist fremdbestimmt.
Hegel unterstellte: „Der Geist eines Volkes spricht sich im Staat aus.“ Haben wir den Staat, den wir verdienen? Wenn ja, ist uns nicht zu helfen. wenn nicht, wird es Zeit, die Sache in die Hand zu nehmen. … Nicht der Kapitalismus ist am Ende, sondern die repräsentative Demokratie die sich einmal mehr als unfähig erweist, die kreativen Potenzen dieses Wirtschaftssystems zu erhalten, in dem sie seine zerstörerischen Potenziale unterdrückt.“

Ähnlich argumentiert auch Dipl.-Volkswirtin Frau Friederike Spiecker. Marktwirtschaft ist nicht gut oder schlecht. Man müsse der Marktwirtschaft von Seiten der Politik nur die richtigen und wenn nötig auch engen Grenzen setzen, um das kreative Wirtschaftspotenzial sinnvoll zu nutzen. Wachstum könne die Probleme lösen, aber entscheidend ist, wie und was wir als Wachstum definieren. Wir können beispielswiese auch saubere Luft und gute Böden als Wachstumsziele definieren.

Paul Mattic argumentiert in seinem Buch „Business as USUAL Kriese und Scheitern des Kapitalismus“ wie folgt: „Trotz seiner Dynamik und der gewaltigen Produktivitätssteigerungen der menschlichen Arbeit, die er [der Kapitalismus] seit dem frühen 19. Jahrhundert erreicht hat, und trotz des Verschwindens politischer und sozialer Schranken seiner Ausbreitung im Laufe des 20. Jahrhunderts, konnte der Kapitalismus nicht die erforderlichen Profitmassen erzeugen, um einen Großteil der Weltbevölkerung in seine moderne industrielle Gestalt zu integrieren. Stattdessen muss mehr und mehr Profit kapitalistischen Zwecken entzogen werden, um die Hungernden zu ernähren, die Aufsässigen zu befrieden und die Folgen der selbst in den entwickelten Ländern ungenügenden Akkumulationen zu verwalten. Der Gedanke, dass Unternehmen wie die AIG (American International Group), die Bank of America oder Citicorp too big to fail sein und mit Regierungsgeldern gestützt werden müssen, kommt als solcher einer Bankrotterklärung der Marktwirtschaft glich. … den Konkurrenzmechanismus zu blockieren, bedeutet ein praktisches Eingeständnis der Überholtheit des Kapitalismus selbst, und dass das Volkseinkommen die Profitabilität als zentrale wirtschaftswissenschaftliche Kategorie abgelöst hat, stellt eine theoretische Anpassung an diese Situation dar.“

Der Zweck der kapitalistischen Produktion ist die Verwertung des Werts und nicht die Schaffung stofflichen und sinnlichen Reichtums. Aller stofflicher und sinnlicher Reichtum muss bei der kapitalistischen Produktion durch die abstrakte Form des Reichtums in Geld messbar gemacht werden, muss zur Ware gemacht werden. Folgerichtig werden auch Zahlungsansprüche zur Ware, woraus sich das Finanzcasino nährt. Ernst Lohoff & Norbert Trenkle schreiben diesbezüglich in ihrem Buch „Die große Entwertung“: „Da aber der Zweck der kapitalistischen Produktion die Verwertung des Werts ist und aller stoffliche Reichtum durch diese Form abstrakten Reichtums hindurchmuss, kehren sich die Produktivkräfte nun gegen die gesellschaftliche Form, die sie hervorgebracht hat. Kurz gesagt: Die Potentiale der stofflichen Reichtumsproduktion sind nicht mehr kompatibel mit dem eingen und bornierten Selbstzweck der Kapitalverwertung. …. Das weltweit akkumulierte globale Geldvermögen lag 1980 noch bei rund 10 Billionen Dollar und wird nach Berechnungen des >>Global Wealth Report 2011<< derzeit mit 231 Billionen Dollar veranschlagt. Wer diese Vervielfachung des Geldvermögens auf den Transfer aus der Realwirtschaft zurückführt, kann genau so gut die Ansicht vertreten, die Ozeane bestünden ausschließlich aus den in den letzten Monaten aus dem Bodensee abgelaufenen Wassermassen.“

In Pekettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ weist dieser nach, dass der Vermögensbestand schneller wächst als die Einkommen. Die Kapitalrendiete (das Wachstum der Vermögen) wächst schneller als das Wachstum der Witschaftsleistung (die Einkommen). Die Schaubilder seines Buches sind veröffentlicht unter: http://piketty.pse.ens.fr/files/capital21c/pdf/ bzw. http://piketty.pse.ens.fr/files/capital21c/en/Piketty2014FiguresTablesLinks.pdf .

Die Autoren Matthias Weik & Marc Friedrich schreiben in ihrem Buch „Der Crash ist die Lösung“: „… alle ungedeckten Papiergeldsysteme, aber auch alle Währungsunionen der Vergangenheit [sind] ausnahmslos gescheitert. Geld ohne realwirtschaftlichen Bezug ist immer wertlos, mögen noch so viele zunächst an dessen Wert glauben. Solche Systeme zeichnen sich nämlich durch den Glauben an ein unbegrenztes, exponentielles Wachstum aus. Wir leben aber in einem geschlossenen System, mit endlichen Ressourcen. Es gibt kein Ewiges Wachstum.”

Bernd Trete

https://www.jungewelt.de/feuilleton/um-das-x-fache

Um das X-fache

Ben Mendelson
Cui bono? Diese Frage stellt sich mit Blick auf die sogenannte Euro-Krise, die für Otto Normalbürger undurchsichtig und schwer verständlich wirkt. Licht ins Dunkel bringt die aktuelle Produktion der Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz. »Wer Rettet Wen?« ist der Titel. In dieser Woche wurden auf Island die Dreharbeiten abgeschlossen. Bedaurlicherweise will kein Fernsehsender den Film ausstrahlen, die Premiere Mitte Februar wird durch Privatspenden finanziert.

Die EU-weite Rettungspolitik ist für Herdolor Lorenz »Schlussstein« einer neoliberalen Entwicklung, im Zuge derer »riesige Geldmengen« umgeschichtet würden. Privat- und Staatshaushalte würden zugunsten der Finanzwelt geschröpft, erklärte er im Gespräch mit dieser Zeitung sinngemäß, bevor das Team zu den Abschlussdreharbeiten nach Island aufbrach. Die Einwohner dieser Insel weigerten sich in mehreren Volksabstimmungen, den Schuldenberg ihrer Banken abzutragen, der 2008 das Achtfache des Bruttosozialprodukts ausmachte. Statt Bankenrettung gab es einen radikalen Schuldenschnitt und mehr Sozialleistungen. Seither wächst die Wirtschaft wieder.

Das Privatisierungsverdikt der »Troika« haben Franke und Lorenz schon im Sommer vergangenen Jahres als Einfallstor für Großkonzerne beschrieben, gerade in Griechenland: »Die Krise ist eine Waffe«. Vor mittlerweile knapp 30 Jahren gründeten beide die »Kern Filmproduktion« als »Plattform für dokumentarisch arbeitende Filmschaffende mit gesellschaftlichem Engagement«. Ihr letzter Film »Water Makes Money« (2010) über Profite, die weltweit mit Wasser gemacht werden, stieß mit der Ausstrahlung auf Arte essentielle Diskussionen an. Zwei weitere »Kern-Filme« hat Arte gesendet, dem jetzigen aber jegliche Unterstützung verweigert. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, es seien »schon sehr viele Wirtschaftsthemen« eingeplant, »was die Aufnahme eines weiteren Wirtschaftsprojekts« vorerst ausschließe. Nach dem in dieser Woche beeendeten Sechsteiler »Der Kapitalismus« und kritischen Reportagen über Goldman Sachs oder Steuerschlupflöcher will man dem Publikum nicht auch noch einen krisenkritischen Film zumuten. Auch bei 3sat fragten Franke und Lorenz vergeblich an. Der Bayerische Rundfunk erklärte ihnen gar, das Thema sei »nicht mehr aktuell«, so Lorenz. Er hält das für Quark: »Die ‚Rettungspolitik‘ wird bis zum heutigen Tag fortgesetzt.« Unter dem Strich haben die Öffentlich-Rechtlichen kein Interesse.

Zu den Unterstützern von »Wer rettet wen?« zählen Organisationen wie ATTAC, Greenpeace, Lobby Control oder Oxfam, aber auch ver.di und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. Die IG Metall blieb auf Distanz. Sie habe sich zu Merkels »Schoßhündchen« entwickelt, meint Lorenz. Das Filmthema ist für Gewerkschaften von Belang. Zur Rettung maroder Banken werden schließlich Kündigungsschutz, Sozial- und Arbeitsrechte abgebaut. Für Lorenz ist das nur die Spitze des Eisbergs: Die Gläubiger seien die großen Gewinner der Krise – die Zahlungsversprechen überstiegen das Bruttosozialprodukt der Welt »um ein X-faches«. Man müsse im großen Stil entschulden, sagt er, Island sei da beispielhaft. Das sei keine Revolution, sondern ein Schritt in die richtige Richtung.

»Wer Rettet Wen?« wird am 11. Februar 2015 in mindestens 150 europäischen Städten Premiere haben. Wer den Film mit 20 Euro unterstützt, bekommt eine DVD zugesandt und kann eine Premierenfeier veranstalten. Bislang sind mehr als 160 000 Euro gespendet worden – auch ohne TV-Sender und IG Metall.