Erste Investorenklage gegen Republik Österreich

Von | 19. Dezember 2014

Aktionär sieht sich um 200 Mio. geschädigt

Der Rechtsstreit um die Meinl Bank geht nun auf eine neue Ebene: Der Haupteigentümer der Meinl Bank klagt die Republik Österreich vor einem internationalen Schiedsgericht und sieht sich durch „rechtswidrige Handlungen“ der Behörden mit mindestens 200 Mio. Euro geschädigt. Laut Justizministerium ist das der erste Fall, in dem Österreich vor einem internationalen Schiedsgericht geklagt wird.

Die in der US-Hauptstadt Washington DC ansässige Rechtsvertretung des Meinl-Bank-Eigentümers hat am Donnerstag in einer Aussendung von der Klage informiert. Konkret wolle die Gesellschaft Beleggingsmaatschappij Far East B.V., gestützt auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Republik Österreich und Malta, die Republik klagen.

Komplexes Firmengeflecht als Aktionär

Laut Firmenbuch ist die Far East B.V. eine Gesellschaft in den Niederlanden. Sie hält 99,992 Prozent an der Meinl Bank, den Rest hält die Julius Meinl Versicherungsservice & Leasing Gesellschaft m.b.H. Diese GmbH gehört laut Firmenbuch zu einem Drittel Thomas Meinl, zu zwei Dritteln Julius Meinl V. Laut Auskunft der Meinl Bank gehört die Far East B.V. einer Muttergesellschaft N.V. Far East mit Sitz in Curacao. Laut Medienberichten sind die zwischengeschalteten Gesellschaften Briefkastengesellschaften, die Meinl Bank sei letztlich dem Banker Julius Meinl V. zuzurechnen.

„De facto klagt damit Julius Meinl die Republik Österreich auf 200 Millionen Euro, weil diese ein Verfahren gegen seine Bank wegen einer Reihe von vermuteten Vergehen im Zusammenhang mit Meinl European Land – etwa wegen Untreue, Betrug oder Abgabenhinterziehung – führt“, erklärte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter am Donnerstag gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.

Matznetter: Missbrauch von Investorenschutz

„Diese in der Geschichte der Republik einmalige Vorgangsweise zeigt, dass Investitionsschutzabkommen mit Sonderklagsrechten für Konzerne grundsätzlich fragwürdig sind, und es zeigt vor allem, dass keinesfalls neue derartige Abkommen, wie es etwa in TTIP vorgesehen ist, abgeschlossen werden dürfen.“ Hier werde versucht, „Investorenschutz für Spekulationsschutz zu missbrauchen“. Das zeige die grundsätzliche Problematik dieser Einrichtung, und sie zeige vor allem auch, wem dieses Instrument nützt.

„Der ganze Wahnsinn“ von Schutzabkommen

Auch von Europaabgeordneten kommt Kritik. „Die Meinl-Klage zeigt den ganzen Wahnsinn von Investitionsschutzabkommen. Diese dürfen auf keinen Fall Bestandteil künftiger Handelsabkommen sein“, warnte Michel Reimon, grüner Europaabgeordneter. „Investitionsschutzklauseln sind überholt und korrumpieren lediglich. Österreich hat bereits 62 Investitionsschutzabkommen, diese sollten so schnell wie möglich gekündigt werden“, forderte Reimon in einer Aussendung.

Auch Jörg Leichtfried, SPÖ-EU-Abgeordneter und Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, sieht sich in seiner Kritik an Sonderklagsrechten für Konzerne vor Privatgerichten bestätigt. „Ein perfektes Beispiel dafür, dass die umstrittenen ISDS-Verfahren (Investor-State Dispute Settlement; Streitbeilegungsverfahren vor einem Schiedsgericht, Anm.) in Handelsverträgen zu Missbrauch führen.“

Greenpeace fürchtet Untergrabung des Rechtsstaates

Greenpeace bekräftigt ebenfalls seine Kritik an ISDS im Rahmen der geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA), den USA (TTIP) sowie Singapur (EUSFTA). „Diese erste Klage gegen Österreich macht deutlich, wie ISDS den Rechtsstaat untergraben kann. Österreichische Gerichte sollen mit dieser Klage in laufenden Verfahren eingeschüchtert und entmachtet werden. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass Konzerne mächtiger werden als unsere Gerichte“, fordert Greenpeace-Sprecher Florian Schweitzer.

Grundproblem an ISDS sei, dass dem Kläger erheblicher Einfluss auf die Auswahl der Schiedsrichter eingeräumt werde. Diese seien zudem keine Berufsrichter, sondern in der Regel Anwälte, die auf Aufträge von Unternehmen angewiesen seien. Nun sieht Greenpeace die Politik gefordert. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) habe noch vor zwei Tagen Kritik an ISDS mit dem Argument zurückgewiesen, Österreich sei noch nie im Rahmen von Investitionsschutzabkommen geklagt worden.

Ausgerechnet ein „Investor“, der im Verdacht stehe, Tausende Anleger systematisch abgezockt zu haben, wolle nun die Republik aufgrund eines Abkommen mit einer bedeutenden Steueroase verklagen, kritisiert das österreichische Bündnis TTIP stoppen (initiiert u. a. von ATTAC und Global 2000) und ortet eine „Sonderjustiz für Privilegierte“.

Anwalt: Verfahren minderten Wert von Bank

Der Anwalt der Far East B.V. führt an, dass durch das mittlerweile sieben Jahre andauernde Verfahren gegen die Meinl Bank und deren Organe sowie insbesondere durch das „massiv rechtswidrige Vorgehen der zuständigen Behörden“ der Wert der Meinl Bank – und damit das Investment des Aktionärs Far East – um zumindest 200 Mio. Euro geschädigt worden sei. Laut dem Investitionsschutzabkommen sollten vor einer Verhandlung vor dem internationalen Schiedsgericht – etwa in Washington – „gütliche Gespräche“ zwischen der Far East und der Republik Österreich über eine Beilegung des Streits geführt werden, heißt es in der Aussendung der US-Anwaltskanzlei Squire Patton Boggs.

Justizministerium prüft Klage

Das Justizministerium wurde bereits offiziell informiert. Beim Bundesministerium für Justiz sei ein Schreiben der Rechtsvertretung der Far East eingegangen, in dem über die Absicht informiert wurde, eine Klage bei einem internationalen Schiedsgericht nach dem Investitionsschutzabkommen einzureichen, erklärte die Sprecherin des Ministeriums heute auf Anfrage zur APA. Dieses Schreiben werde derzeit geprüft.

Hintergrund der neuen juristischen Eskalation ist offenbar die angekündigte Anklage gegen den Banker Julius Meinl V., die Bankdirektoren Peter Weinzierl und Günter Weiß sowie zwei weitere Bankverantwortliche. Vorgeworfen wird ihnen Untreue durch die Ausschüttung einer 211 Mio. Euro hohen Sonderdividende für das Geschäftsjahr 2008. Die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück.

Quelle: PowerShift – Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- & Weltwirtschaft e.V.
Greifswalder Str. 4 (Haus der Demokratie & Menschenrechte, Aufgang A, R. 1308) 10405 Berlin